Ostermarsch-Rede von Elke Kammigan-Bentzinger

14. April 2016

Ostermarsch 2016 (Foto: Guerrero1963/Beobachternews.de)

Ostermarsch 2016 (Foto: Guerrero1963/Beobachternews.de)

Ostermarsch-Rede Elke Kammigan-Bentzinger
am Sa. 26. März 2016 vor der Coleman-Kaserne Ma-Blumenau

Liebe Ostermarschfreunde und –freundinnen.

Mein Name ist Elke Kammigan-Bentzinger. Ich vertrete hier die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten(VVN-BdA). ich gehöre zu den Menschen, die den Hauptteil ihrer Kindheit im krieg verbrachten, also sogenannte Kriegskinder sind. Wir wussten nicht was Frieden ist. ich kann mich erinnern, dass ich meine Mutter gegen Ende des Krieges fragte, was ist, wenn Frieden ist?
Bei uns zu Hause wurde darüber gesprochen. Wir waren aus dem bombardierten Hamburg evakuiert und wohnten am Rande des Schwarzwaldes, in einem kleinen Ort in der Baar.
Mein Vater war dienstverpflichtet, weil er zum Glück „kriegsunwürdig“ und KZ-Insasse war.
Ich war sehr stolz, dass er den Bürgermeister und den Pfarrer des Dorfes dazu brachte, vor der Befreiung durch die Franzosen, weiße Fahnen zu hissen. So kam es zu keinen Kampfhandlungen, obwohl in den umliegenden Wäldern SS lagerte.
Kriegskind – doch heute muss ich sagen, mir ging es trotz traumatischer Erlebnisse gut, wenn ich die furchtbaren Fotos von Kindern und Erwachsenen auf überladenen Booten, in Idomeni oder jetzt eingesperrt wie Verbrecher hinter Stacheldrahtzäunen sehe.
Trotzdem waren wir vom Krieg geprägt und auch von der schweren Nachkriegszeit.
Aber ich wusste nun was Frieden war. Die Kindheitserlebnisse haben mich in meiner Haltung gegen den krieg sehr beeinflusst und gelehrt, dass man für den Frieden etwas tun muss.
Mein erstes Engagement gegen den Krieg war die Unterschriftensammlung Ende der 40iger Jahre unter den „Stockholmer Appell“. Weltweit wurden viele Millionen Unterschriften gegen Atomwaffen und ihre Anwendung gesammelt. Die Erinnerung an die Bilder über Hiroshima und Nagasaki waren damals sehr präsent. Auch diese Ereignisse haben mich für mein ganzes Leben geprägt. In den 50iger Jahren habe ich an den großen Friedensdemonstrationen gegen die Wiederaufrüstung und die Einführung der Bundeswehr teilgenommen, gemeinsam mit vielen Friedensfreunden.
Die Polizei ging damals rücksichtslos gegen Kriegsgegner vor. Die Demo-Verbote wurden rigoros durchgesetzt. Damals am 11. Mai 1951 wurde Philipp Müller in Essen von der Polizei erschossen, und dass auf einer großen Friedensdemonstration von zahlreichen Jugendorganisationen, bei der ich mit dabei war.
Vor 55 Jahren – 1962 war ich das erste mal beim Ostermarsch dabei. Von Freiburg bis Basel, dann war es ein Marsch in und um Mannheim, mit einer großen Abschluss-Kundgebung auf dem Alten Meßplatz, der voll mit Menschen war. Es ging nach Frankfurt, in die Pfalz, nach Heilbronn und Mutlangen oder nach Saarbrücken. Und heute wissen wir, mehr denn je, wir müssen weitermachen. Wir dürfen nicht aufhören. Wir müssen unsere Meinung in die Welt schreien. So lange es Verbrechen wie Rüstungsexporte gibt und Bundeswehrsoldaten in vielen Ländern „mit Rat und Tat“ sogenannte Hilfsleistungen erbringen.
Es geht wieder einmal um Krieg, um Kriegsverbrechen, mit all den furchtbaren Folgen, den sogenannten Kolateralschäden. Die Menschen fliehen vor dem Krieg, sie wollen nur überleben, ein Leben, das sie nur mühsam retteten. Sie hoffen auf eine sichere Zukunft. Und jetzt werden sie an den Grenzen mit Stacheldrahtzäunen empfangen und gewaltsam gestoppt. Egal on Kinder, Frauen, Männer oder alte Menschen. Die Versorgung ist gleich null. Jetzt wird ein Abkommen gerade von der Bundesregierung als „großer Erfolg“ gefeiert. Die Türkei ist plötzlich ein „sicheres Herkunftsland“ Trotz permanenter Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und krieg gegen die eigene Bevölkerung. Dass alles ist unwichtig. Die Menschen, in großer Angst geflohen, werden in das „sichere Herkunftsland“ gewaltsam zurück gebracht.

 
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Das heißt, sie werden erstmal in mit Natodraht umzäunten Lagern gewaltsam interniert. Es ist ein Hohn und das große Geschäft für den Machthaber Erdogan. Und es hat nichts mit Bekämpfung von Fluchtursachen zu tun. Die Türkei versucht schon seit langem das eigene kurdische Volk auszurotten. Wer weiß wo die EU-Gelder landen? Werden diese EU-Milliarden zur Bekämpfung der Kurden im eigenen Land verwendet? Und was bekommen wirklich die Flüchtlinge? Wer kontrolliert dass?
Wir liefern bereits seit langem Waffen in die Türkei, nach Saudi-Arabien oder nach Katar. Alles Länder, die nichts für den Frieden im eigenen Land tun. Diese Rüstungsexporte sind dort gern gesehen und wir helfen neue Krisen und Kriegsgebiete zu schaffen.
So sichern die Bundesrepublik und die Konzerne ihren Einfluss, machen enorme Profite und ganz nebenbei bauen sie ihre imperiale Weltmacht aus. Ich will gar nicht auf die anderen Länder eingehen. Was die Regierung weltweit treibt, zur Sicherung ihres Einflusses, ist schon schlimm genug. Allein im vergangenen Jahr wurden die Rüstungsexporte enorm ausgebaut, um das 14fache gesteigert. Und dass unter einem Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel von der SPD. Diese militärische, politische und wirtschaftliche Unterstützung der Türkei, Saudi-Arabiens und auch Katar´s wird die Situation im Nahen Osten nicht stabilisieren, wie die Bundesregierung behauptet. Vielmehr tragen diese Staaten entscheidend dazu bei, dass der Krieg im Nahen Osten, sei er nun in Syrien, Irak oder Jemen weiter eskaliert und nicht zur Ruhe kommt. Auf diese Art wird eine politische Lösung verhindert und neue Krisengebiete geschaffen. Wer vorgibt, den IS zu bekämpfen macht sich unglaubwürdig, wenn er die Unterstützer des IS mit Waffen versorgt.
Die NATO hat jede Rechtfertigung als Verteidigungsbündnis verloren. Sie hat sich zu einem reinen Kriegs- und Interventionsbündnis entwickelt. Damit widerspricht die Regierung in ihrer Zielsetzung dem Grundgesetz. Und es stellt sich die Frage, was machen wir eigentlich noch in der NATO?
Und wir stehen heute hier vor den Coleman-Kasernen. Ihre Freigabe wird langsam Zeit. Wir brauchen als Bevölkerung des Mannheimer Nordens dieses Militärgelände nicht als „Drehscheibe für kommende Kriege“ sondern als geschütztes Naherholungsgebiet.
Für eine sinnvolle Stadtentwicklung und nicht als Waffenlager. Derzeit lagern auf Coleman 250 Panzer und rund 1000 anderweitige Militärfahrzeuge. Sie werden nicht zum Spaß ständig gewartet, sondern für den militärischen Einsatz in Ost-Europa gepflegt und für einen möglichen Einsatz gegen Russland vorbereitet. Daran wollen wir nicht beteiligt sein.
Wir Antifaschisten haben von den Überlebenden in Buchenwald deren Schwur vom 11. April 1945 übernommen: NIE WIEDER FASCHISMUS – NIE WIEDER KRIEG. Dass ist für uns kein leeres Wort, sondern eine tiefe Verpflichtung. Und wir wollen diesen Schwur einhalten. Deswegen gehen wir immer wieder auf die Straße und sind immer wieder beim Ostermarsch dabei.
Auch wenn wir eine relativ kleine Gruppe sind, so sind weltweit an Ostern viele Menschen für ein friedliches Miteinander unterwegs.
Wir haben die Stafette übernommen und werden sie weiter geben.